Accademia Vergani

Brera

Punktlandung. Kein Wort beschreibt die erfolgreiche Eröffnung des Brera Zurigo besser. Dort, wo einst Beat Caduff mit seiner Wineloft die Geschichte der Zürcher Gastronomie mitgeprägt hat, scheint sich Innovation eingenistet zu haben. Vom Neustart.

 

Das Dream-Team um Yves Niedermayr, Damian Hegg und Adil Pajaziti hat sich vom modernen, modischen und extravaganten Stadtteil namens Brera in Milano dazu verleiten lassen, ein ebenso urbanes Gastronomiekonzept in Zürich umzusetzen. «Es ist nicht in fünf Minuten entstanden», präzisiert Yves Niedermayr, auch wenn es aus tiefer Zuneigung und Überzeugung zur Italianità geboren worden sei. «Damian ist unser Link nach Italien», erklärt Niedermayr, und da kommt er auch schon, Espresso in der Hand, Signore Hegg. Seine Nonna stammt aus Italien. Hegg kümmert sich im Brera um die Administration, die Gäste und naturalmente um die Bar. Spirituosen sind seine Leidenschaft. «Meine sind Essen und Gäste», ergänzt Niedermayr. Kombiniert man die Raygrodski-Bar, die die beiden vor acht Jahren gegründet haben, mit einer Pizzeria, entsteht Brera Zurigo – einfach gesagt.

 

 

«Aber eben; so einfach ist es nicht», sagt Damian und Yves fügt an: «Wir haben während zwei Monaten viermal die Woche getestet, getüftelt und verworfen, bis wir alle drei wussten: Das ist es.» Das meint die Pasta. Das meint aber auch eine Pizza, die nicht römisch und nicht neapolitanisch daherkommt. Das ist ein Teig, der nicht zu dünn und nicht zu dick, der weich und dennoch knusprig ist. Das sind Signature-Cocktails, die zum Essen passen und eine No-Brand-Bar, gepaart mit bewusster Musik, «die zwei Striche lauter ist als in einem normalen Restaurant», so Yves. «Wir legen nicht einfach irgendetwas auf, die DJs und ihre Soundcloud kennen wir. Die Musik ist nicht zu technoid und auch nicht zu langsam. Sie ist nicht zu laut und nicht zu leise. Künftig möchten wir freitags und samstags einen DJ auflegen lassen und das Lokal von 18 Uhr bis 2 Uhr öffnen», sagt er. Den Groove brauchen sie nicht mehr zu erfinden, sie haben ihn gefunden. Auch dank Ron, Yves’ Bruder, der die Küche leitet. «Wenn wir etwas Neues planen, interessiert es uns, in die Tiefe gehen zu können. Diesen Prozess möchten wir gerne mit Menschen umsetzen, die bereit sind, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen», so Niedermayr. Ob Barman, Pizzaiolo oder eben Bruder-Küchenchef – sie alle verbindet dieselbe Leidenschaft für diese neue Form der Gastronomie, die sich weniger schwerfällig als ein klassisches Restaurant präsentiert und anfühlt.

 

«Sie sagen, das Brera sei ganz anders, aber sie würden sich dennoch wohl fühlen hier»

Yves Niedermayr, Gastgeber Brera

 

Für den Gast vereint das Konzept Brera Zurigo verschiedene Lebenssituationen, und das Thema «Entwirrung» ist in einer komplexen Zeit schwer angesagt. Apéro. Abendessen. Bar. Cocktails. Sound. Hand in Hand, alles am selben Ort, so geht das in der neu gestrichenen Loft mit der imposanten Bar. Im Weinkeller übrigens lagern nach wie vor grossartige Weine, aber die Philosophie ist eine andere, und der Keller dient nicht mehr als Vorzeigestück. «Zu gerne variieren wir unser Angebot. Sei es bei den Flaschenweinen oder im Offenausschank, sei es auf der Speisekarte oder bei den Cocktails», sagt Yves Niedermayr. Alles, ausser langweilig eben, «aber bewusst reduziert», ergänzt Damian.

 

 

Gar nicht so einfach, denn die amerikanische Kultur, Cocktails nicht nur vor und nach dem Essen, sondern auch zum Essen zu geniessen, ist bei uns eher eine Subkultur. Aber eine, die auf Zuspruch stösst, wenn richtig gemacht. «Auch hierfür haben wir uns sehr viel Zeit genommen. Für uns ist zentral, dass die Cocktails zum Essen passen und dass sie italienisch angehaucht sind. So setzen wir zum Beispiel Grappa statt Pisco ein. Cedro Fizz. Negroni d’Estate. Bellini etwas anders – so klingen unsere Cocktails, die wie gesagt meistens aus unseren eigenen Blends bestehen», sagt Damian. «Sprich, wir produzieren unsere eigenen Infusionen und arbeiten selten mit Markenprodukten», präzisiert er. Also auch hier: Signature statt Standard. Klar hätte man die Lounge auch einfach lassen können, und selbstverständlich würde man mehr Platz gewinnen, wenn man nicht so eine grosse Bar hätte, dann aber ginge dieses Surren verloren. Ein Buzz, der auch gestandene Caduff-Gäste anzieht. «Sie sagen, das Brera sei ganz anders, aber sie würden sich dennoch wohl fühlen hier», meint Yves Niedermayr und führt das auf eine wohl selektionierte Weinauswahl zurück, die auf rund 40 Positionen Kennern und Newcomern etwas zu bieten hat. «Uns ist es wichtig, auch als Weinlokal wahrgenommen zu werden. Daher konzentrieren wir uns auf Weine, die man sonst vielleicht nicht erwarten würde, oder wir servieren auch mal einen teureren Wein im Offenausschank», sagt er. Und was kommt noch? «Zu gerne würden wir unsere Pizza künftig mit eigenen, gut angezogenen Kurieren auf alten Velos ausliefern lassen. Im Moment kann man sie bei uns vorbestellen und selbst abholen oder über die bekannten Plattformen nach Hause bestellen», sagt er. Schön und gut, aber einen Abend im Brera kann kein Kurier der Welt ersetzen.

Bild: Torvioll Jashari | Text: Andrin Willi | Quelle: Edizione Vergani 12

 

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