Nach der 52. Ernte konnte im vergangenen Jahr mit der Erweiterung der Weinberge und der Fertigstellung der bahnbrechenden neuen Kellerei ein weiterer Meilenstein in der Firmengeschichte von Ca’ del Bosco gefeiert werden. Zeit, etwas zurück- und genauer hinzuschauen.
Klar, das Weingut Ca’ del Bosco und den Namen Maurizio Zanella braucht man, wenn man über italienischen Weinbau und dessen «Rinascimento» spricht, wohl niemandem zu erklären. Zanella hat die Franciacorta, also jene Weinbauregion in der Lombardei, die seit 1967 den offiziellen DOC-Status geniesst, mit seinen legendären Schaumweinen und später auch mit seinen Stillweinen geprägt, bereichert und immer wieder befeuert. Die Reise begann mit dem ersten Weinberg, der im Jahr 1968 angelegt wurde. Zanella war noch minderjährig, die Unterschrift und die Bürgschaft für den Kreditvertrag musste seine Mutter Annamaria Clementi leisten. «Das wird uns ruinieren», soll sie gesagt haben, und in der Tat kostete das Unterfangen am Anfang Geld. Viel Geld. Der Vater, der erfolgreich im Logistikgeschäft tätig war, drückte beide Augen zu und liess seinen Sohn Maurizio gewähren. Aber der väterliche Freund von Maurizio Zanella, der bekannte Weinautor und -kritiker Luigi Veronelli, habe ihn immer wieder ermutigt, etwas spektakulär Gutes zu machen. Die Aufmerksamkeit werde folgen, wenn man unter den Ersten sei, die etwas Neues wagen, meinte Veronelli zu ihm. Er hat recht behalten. Schritt für Schritt ging es bergaufwärts, auch in Sachen Qualität. «Veronelli war Philosoph. Ein Anarchist. Er hat mir die echten Werte des Bodens gelehrt», sagt Maurizio Zanella, der früh begriffen hat, dass die Aufbauphase neben Geld vor allem Zeit benötigen würde. Viel Zeit. Denn in der Champagne hat man in Sachen Schaumweinerzeugung über 250 Jahre Erfahrungsvorsprung. Wie auch immer. Bis in die 1980er-Jahre bewirtschaftete man bei Ca’ del Bosco mit viel Herzblut «nur» 13 Hektar Reben, vorwiegend Pinot Noir, Pinot Blanc und Chardonnay, wie in der Champagne. Und jetzt machen wir den grossen Sprung, der auch eine neue Phase in der Unternehmensgeschichte einleitet. Heute verfügt Ca’ del Bosco nämlich über 280 Hektar Reben, die sich auf 11 der insgesamt 19 Gemeinden der Appellation verteilen. Fläche ist das eine, aber die konsequente Ausrichtung eines zertifizierten biologischen Anbaus ist das noch viel entscheidendere strategische Element, wenn es um die Zukunft des Hauses im Kastanienwald geht. «Wir sind keine Heiligen und es ist profan, aber das wichtigste Asset eines Weinbaubetriebs ist der eigene Boden. Land kostet enorm viel Geld, und wenn man sein Asset nicht bewahrt, sondern schrittweise zerstört, dann ist man ein Idiot. Das Wertvollste muss man schützen, es ist eine Investition in die Zukunft», sagt Zanella, der Agronomie studiert hat und seine önologischen Kenntnisse einst in Beaune und Bordeaux erlernt hat und der Unternehmung heute nach wie vor als Präsident vorsteht.
Zanella ist getrieben von Verbesserungen. Innovation, Technik, Know-how und Mut haben ihn immer dorthin geführt, wo noch keiner vor ihm stand. Mit der Fertigstellung der neuen, ausgedehnten Kellerei ist nun ein lang ersehnter Wunsch von ihm und allen Geschäftspartnern des Unternehmens in Erfüllung gegangen. Der Ort ist einzigartig wie die Kunst, die ihn bereichert, denn Kunst und Architektur, also das Drumherum, wirke sich auch positiv auf Weine aus, die von ihrer Natur her eine lange Lagerzeit verlangen. Aufsehenerregend geworden ist der neue Tempel in Erbusco – und einen Tempel muss man ihn beinahe nennen. Entworfen und realisiert wurde er vom Architekturbüro Falconi, das seit den 1990ern mit Ca’ del Bosco zusammenarbeitet und das die Philosophie des Hauses kennt. Entstanden ist ein architektonischer Wurf, dessen Strukturen so konzipiert sind, dass sie sich harmonisch in die Umgebung einfügen. Der neue Keller steht allerdings auch für eine neue Ära in Sachen Produktion. Hochmodern und darauf ausgelegt, das volle Potenzial der geernteten Trauben bestmöglich zu erhalten und zu nutzen. Zanella wäre nicht Zanella, wenn er nicht alles in seiner Macht Stehende unternommen hätte, um auch hier allen anderen mindestens zwei Schritte voraus zu sein. Selbstverständlich ist das Projekt nur möglich geworden dank dem vereinten Willen aller Partner von Ca’ del Bosco, also den Familien Marzotto und Zanella, in denen man schon seit jeher vom Potenzial des Gebiets überzeugt war. Und dieses Potenzial soll nun in den Weinen des Hauses noch besser zur Geltung gebracht werden. Im Zentrum aller Verarbeitung stehen die Trauben und die Einzigartigkeit jeder Parzelle. Bereits seit 2008 belegen – aber das ist nur ein Beispiel – die mehrstufigen Waschstrassen, an denen die Trauben nach der Lese zuerst gewaschen, geduscht und sanft getrocknet werden, dieses Streben nach Perfektion. Alle möglichen Fehltöne sollen ausgeschlossen werden, denn nur mit absolut sauberem Traubengut können frische, reintönige Grundweine entstehen, die im Verlaufe der Zeit in den verschiedenen Cuvées aufgehen. Fein, klar und fruchtbetont, das ist der Stil des Hauses, der sich natürlich am eindrücklichsten in der Cuvée Prestige manifestiert. Im neuen Keller wurde ihr ein szenografisch unvergesslicher Raum gewidmet. Er hat die Form einer gigantischen, auf dem Kopf stehenden Flasche. Die «Wände» bestehen aus über 33’000 leeren, beleuchteten Cuvée-Prestige-Flaschen. Zuunterst, also 23 Meter unter dem Boden, blickt man durch eine Öffnung in den neuen Reifungsraum der Cuvée Prestige, wo bis zu 4 Millionen Flaschen lagern. Weitere Highlights: Der schräge Vintage-Tunnel, der die Besucherinnen und Besucher perspektivisch beschleunigt in den historischen Barriques-Keller führt. Der Besuch wird zur multisensorischen Sensation, denn da sind neben allen anderen Eindrücken immer wieder auch diese Hintergrundgeräusche, die vom Sounddesigner Riccardo Caspani entworfen wurden, die die Gäste an den historischen Räumen des Kellers vorbeiführen und sie zum Eingang eines Gewölbes locken, in dem die Rüttelpulte stehen. Unter ihnen und durch sie hindurch wird die Kellerdecke zum Sternenhimmel beleuchtet. Faszinierend schön, genau wie der eindrückliche Durchgang, in dem die Vintage Collection, also die Jahrgangs-Franciacorta-Reserven ruhen. Zur Vintage-Collection zählen die Cuvées Dosage Zéro, Satèn und Extra Brut, während den Annamaria-Clementi-Cuvées natürlich seit jeher ein ganz besonderer Raum, eine Kuppel im Herzstück der Ca’ del Bosco gewidmet ist. Ja. Die Zeit ist reif, Zeit für einen Besuch zu finden.